

Es gilt als die Allzweckwaffe der Produktentwicklung: Design Thinking. Nach knapp 30 Jahren ist der Kreativitätsansatz heute auf dem Zenit seiner Beliebtheit angelangt. Auch in studentischen Projekten der Fakultät Information und Kommunikation (IuK) kommt die stark gefragte Methode regelmäßig zum Einsatz. Prof. Dr. Tobias Seidl ist zuständig für die Schlüssel- und Selbstkompetenzen an der Fakultät IuK und kennt sich bestens mit Kreativitätstechniken aus. Das Newsroom-Team hat ihn getroffen und mit ihm über Design Thinking im Studium und in der Arbeitswelt gesprochen.
Was ist das Besondere an Design Thinking, was macht Design Thinking aus?
Es wäre falsch zu sagen: „Design Thinking ist genau das“. Die Methode lebt von Adaptivität und Flexibilität. Im Zentrum steht zum einen die starke Orientierung an den Bedürfnissen und Wünschen der Nutzer. Zum anderen wird das iterative Arbeiten bei Design Thinking großgeschrieben. Das heißt, es wird sehr stark mit ersten Ideen und Prototypen gearbeitet, die die potenziellen Nutzer anschließend testen. Einer der größten Lerneffekte bei Design Thinking ist die Erkenntnis, dass es durchaus sinnvoll sein kann, unfertige Arbeiten zu zeigen, um wichtiges Feedback zu bekommen und das anschließend in den Arbeitsprozess einfließen lassen zu können.
„Design Thinking lebt von Adaptivität und Flexibilität.“
Wie häufig kommt die Methode in der heutigen Arbeitswelt zum Einsatz?
Das wichtige bei Design Thinking ist weniger die Methode an sich als das, was kulturell dahintersteckt. Design Thinking lebt eine Fehlerkultur, in der Fehler als Chance gesehen werden und offen über wilde oder auf den ersten Blick dumme Ideen kommuniziert werden kann. Die Schwierigkeit liegt für die meisten Unternehmen darin, diesen Kulturwandel zu schaffen und am Mindset ihrer Mitarbeiter zu arbeiten. Ich höre oft in Diskussionen: „Kann ich das mit meinen Studierenden oder Mitarbeitern machen, machen sie das mit?“. Hier muss Überzeugungsarbeit geleistet und vor allem vorgelebt werden. Denn ich glaube erstens, dass viele Menschen ein bisschen die Nase voll von traditionellen Arbeitsformaten haben. Zweitens muss für die Leute transparent gemacht werden, wo der Mehrwert einer Methode liegt und das muss dann gut begründet werden. Dann hat man sehr gute Chancen, auch an auf den ersten Blick widerständige Menschen heranzukommen.
Wo sehen Sie die Stolpersteine beim Einsatz dieser Methode?
Ein Risiko ist, wenn etwas stark gehypt wird, dass es als Lösung für alles gesehen wird. Design Thinking hat zwar einen gewissen Wert, ist aber nicht die Lösung für alles. Zum anderen ist es eine große Herausforderung, eine positve Fehlerkultur zu schaffen, das Vertrauen innerhalb der Gruppe zu stärken und sich auf andere Perspektiven einzulassen. Jeder nimmt die Realität oder bestimmte Situationen durch seine Prägungen und Perspektiven anders wahr. Hat man das einmal verstanden, fällt vieles deutlich einfacher.
„Jeder nimmt die Realität anders wahr.“
Welche Tipps und Tricks haben Sie für Studierende, die mit Design Thinking arbeiten möchten?
Wichtig ist das Bewusstsein, dass wenn ich ein Problem sehe, es primär meine Sicht auf das Problem ist. Beim Arbeiten innerhalb einer Gruppe ist es deshalb wichtig zu klären, ob überhaupt alle dasselbe Problem wahrnehmen. Weiter lohnt es sich im nächsten Schritt darüber zu reden, ob die Nutzer und die wirklich Beteiligten auch das gleiche Problem sehen. Deshalb mein Tipp: Probleme hinterfragen und aus verschiedenen Perspektiven betrachten, die Beteiligten involvieren und sich ein gemeinsames Bild des Problems machen.
„Die wirklich innovativen und neuen Ideen sind meistens nicht die Erstbesten.“
Außerdem können Studierende von der Idee des iterativen Arbeitens profitieren. Mir fällt auf, dass manche Studierende oder studentische Gruppen immer sehr schnell zufrieden sind mit der Lösung, die sie gefunden haben. Es kann eine Chance sein, sich Feedback zu dieser erstbesten Lösung zu holen und weiterzudenken, welche Lösungen es sonst noch gäbe. Denn die wirklich innovativen und neuen Ideen sind meistens nicht die Erstbesten.